Probieren Sie doch mal "Sex für die Seele"

Probieren Sie doch mal "Sex für die Seele"

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Wie erweckt man nach Jahren wieder die Lust auf Sex? Unsere Leseprobe von "Soul Sex" gibt erste Antworten - geschrieben von Paarthereapeutin Eva-Maria Zurhorst.

Foto: Getty, Alexander Koerner

Wie geht guter Sex? Wie heißt eigentlich "Soul Sex"? Das hat Bestseller-Autorin Eva-Maria Zurhorst der BRIGITTE verraten, noch bevor ihr Buch auf den Markt gekommen ist. In der Talkrunde BRIGITTE Live begeisterte sie im August 2014 das Publikum in den Hamburger Kammerspielen sowie BRIGITTE-Chefredakteurin Brigitte Huber und BRIGITTE-Ressortleiterin Psychologie Nikola Haaks.

"In den meisten Langzeitbeziehungen verabschieden sich die Paare schleichend vom Sex. Das ist meist der Anfang vom Ende", erzählte Zurhorst. Um Paaren zu zeigen, wie sie sich wieder näher kommen können, hat sie das Buch "Soul Sex" geschrieben. Ein Tipp, den sie bei BRIGITTE LIVE an Paare gibt: "Legen Sie sich morgens 20 Minuten nebeneinander, nicht weil Sie Sex wollen, sondern wegen der Berührungen. Horchen Sie auf Ihren Körper und auf den des anderen. Wenn Sie das regelmäßig machen, wird das Ihre Beziehung verändern." Aber: "Soul Sex ist kein Blümenchensex", betont sie.

Lesen Sie hier eines der ersten Kapitel von "Soul Sex". Auf Seite zwei finden Sie zudem Termine der "Soul Sex"-Tour 2015.

Leseprobe von "Soul Sex" von Eva-Maria Zurhorst

Alle wollen Sex! Oder vielleicht doch nicht? Alle wollen Sex. Gerd ist 77. Fast täglich liegt er versonnen strahlend im Bett und befriedigt sich selbst. Anni ist 69 und schockt ihre Angehörigen, weil sie sich ständig zwischen den Beinen streichelt und dabei lustvoll atmet, egal, wer gerade im Raum ist. "Bei uns ist jeder Zweite sexuell aktiv", erzählt die Leiterin eines Pflegeheims für Alzheimerkranke: "Wenn es ein Fest im Haus gibt, dann blitzen die Augen der Frauen wie mit 18. Und die Männer sind zärtlich und wieder voller Energie."

Die Menschen, die so voller Zärtlichkeit und Sinnenfreude sind, können ihre nächsten Angehörigen kaum erkennen und sich nur noch bruchstückhaft an ihr vergangenes Leben erin- nern. Die Krankheit, an der sie leiden, heißt Demenz, was über- setzt so viel bedeutet wie "abnehmender Verstand". Alte Men- schen, die langsam ihren Verstand verlieren, geben sich wieder frei und ungeniert ihrer körperlichen Lust hin, so wie wir es als Babys alle getan haben, als wir noch vor Sinnenfreude glucksten und Berührungen wie ein Allheilmittel aufsaugen konnten.

... etwas, das man über uns Erwachsene, so wir nicht dement sind, wohl nicht behaupten kann - außer wir sind gerade frisch verliebt oder stecken in einer leidenschaftlichen Affäre. Eine aktuelle Studie sagt, dass die Hälfte aller Deutschen mit ihrem Sexleben unzufrieden sind und sich nicht trauen, mit ihrem Partner darüber zu sprechen. Auch ich erlebe in meiner Arbeit, dass unzählige Menschen, gerade solche, die in einer Langzeitbeziehung stecken, in sexueller Hinsicht unglücklich sind oder unter einer Art Sex-Burnout leiden.

Zurhorst war zunächst Journalistin, wechselte später als PR- und Kommunikationsmanagerin in die Wirtschaft. Heute arbeitet sie nach einer psychotherapeutischen Zusatzausbildung mit ihrem Mann Wolfram als Beziehungs- und Karrierecoach. Zudem ist sie erfolgreich als Autorin. Ihr Buch "Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest" wurde zum Bestseller und in 17 Sprachen übersetzt. Eva-Maria Zurhorst ist Mutter einer Tochter und lebt mit ihrer Familie in Berlin.

Die einen sind frustriert, weil ihnen die emotionale Nähe verloren gegangen ist und ihr Körper nur noch von Bildern im Kopf gesteuert wird, und die anderen fühlen sich erschöpft und leer, weil sie über die Jahre in eine Routine geraten sind, in der sich der gemeinsame Sex mechanisch zu wiederholen scheint und ihnen kaum noch etwas gibt. Am häufigsten aber erlebe ich, wie sich in langfristi- gen Partnerschaften Männer und Frauen nach und nach ganz vom Sex zurückziehen. Auch das entspricht den aktuellen Um- frageergebnissen, nach denen 65 Prozent der Männer und 54 Prozent der Frauen in Deutschland ein Problem damit haben, dass ihr Partner keine oder weniger Lust auf Sex hat.

Fast alle, egal ob sie ganz ausgestiegen, ins Kopfkino abgedriftet oder in der Routine gefangen sind, haben eins gemein: Sie wissen nicht, warum ihnen der Kontakt zu ihrer natürlichen sexuellen Kraft abhanden gekommen ist und wie sie den Zugang dazu wieder finden können. Fast alle können nur eine Art Erkaltung und Abstumpfung feststellen. Vielen Frauen ist die Lust an der Liebe verloren gegangen. Der Sex mit ihren Männern dauert wenige Minuten, berührt sie nicht mehr oder erfüllt sie sogar mit Widerwillen. Die einen sind wütend, wenn sie miterleben müssen, wie ihre Körper sich verschließen und auf keinerlei Stimulation mehr reagieren, die anderen sind voller Scham und Selbstvorwürfe, wenn sie keinen Zugang mehr zu ihrer Sinnlichkeit finden.

Die Männer sind aber nicht minder verunsichert. Viele stehen auch im Bett unter Erfolgsdruck, meinen, sie müssten "es bringen", und kommen dann zu früh oder gar nicht. Längst ziehen sich auch viele Männer in ein Schneckenhaus zurück, wenn es um Sex geht.

Das Risiko des Versagens oder der ungewollten Lustlosigkeit hängt über ihnen wie ein Damoklesschwert. Bei jeder intimen Begegnung mit einer Frau müssen sie das Risiko eingehen, dass ihnen Stress, Leistungsdruck und Beziehungs- probleme auf die Potenz und auf die Seele schlagen.

Andere werden gierig wie hungrige Wölfe; sie fühlen sich wie abhängige Sexjunkies, die von ihren Frauen auf Entzug gesetzt werden, und sie packt die Wut, wenn sie den Eindruck haben, dass sie um Sex buhlen müssen oder ihre Frauen entweder gar nicht mehr oder nur zur Absolvierung der ehelichen Pflichten mit ihnen schlafen.

Der Beziehungs- und Sexualforscher Dr. Ragnar Beer von der Uni Göttingen sagt: "Ich habe noch keine Kurve gesehen, die so traurig abwärtsgeht und sich nie wieder erholt, wie die der sexuellen Aktivität von Paaren." Auf die Frage, wie oft man Sex haben muss, um normal zu sein, antwortet er: "Null Mal! Wir haben eine Umfrage gemacht, und die größte Gruppe hatte überhaupt keinen Sex mehr. Das Gute daran: So wissen wir zu- mindest, dass wir völlig normal sind!"

Die Leute, die zu meinem Mann und mir kommen, weil sie in ihrer Beziehung in einer Sackgasse stecken, halten sich aber meistens eben nicht für normal. Sie schämen sich, weil sie das Gefühl haben, irgendetwas nicht hinzukriegen, was alle anderen hinkriegen. Sie sitzen auf Partys und bekommen heiße Anekdöt- chen erzählt, blättern in Magazinen, die die Geheimnisse des G-Punkts und Tipps für den multiplen Orgasmus verraten, und haben das Gefühl, vom lieben Gott irgendein geiles Gen nicht mitbekommen zu haben.

Es geht nicht um normal oder nicht normal. Ob wir es uns eingestehen oder nicht, ob wir es tief verdrängen oder wegrationalisieren - uns fehlt etwas, wenn der Sex sich aus unserem Leben verabschiedet oder wenn er zu einem gewohnheitsmäßigen Geschubbel degeneriert.

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